In diesem Kurs diskutieren wir zuerst darüber, was Sie als Wissenschaftlerin oder Wissenschaftler einer breiten Oeffentlichkeit sagen können: Wann und in welcher Form wird Ihre Arbeit zur Nachricht?
Wir orientieren uns dabei an den gängigsten journalistischen Auswahlkriterien, wie sie die Medienwissenschaft zusammengetragen hat. (Z.B. Denis McQuail 1987) Dabei müssen wir allerdings das eine oder andere relativieren, weil mit wissenschaftlichen Inhalten doch etwas anders umgegangen wird als mit anderen Nachrichtenstoffen.
Nach McQuail können diese Kriterien unter den Fragen
Wer?eingeordnet werden:
Wo?
Wann?
Im Gegensatz dazu kommen Leute, die keine Macht repräsentieren, nur unter erschwerten Bedingungen in die Zeitung - meist nur als austauschbare Grössen. Ihre Position als Forscherin oder Forscher ist irgendwo dazwischen anzusiedeln: Wenn Sie nicht aufgrund früherer Meriten prominent sind, werden Sie für die Medien erst dann interessant, wenn Sie nachrichtenwürdige Informationen anzubieten haben. Sie können aber Ihre Chancen verbessern, indem Sie Kontakte zu Medienleuten knüpfen und diese gut pflegen.
Eine Konsequenz daraus ist die Institutionslastigkeit der journalistischen Informationen:
Die meisten Nachrichten handeln nicht nur von Institutionen, sondern sind auch in einer administrativen, unattraktiven Sprache formuliert.
Als WissenschaftlerIn müssen Sie damit rechnen, wenigstens für die lokale Berichterstattung regelmässig Nachrichtenwert zu bekommen: Ereignisse, die im internationalen Vergleich uninteressant sind, können für die örtliche Bevölkerung durchaus von Bedeutung sein.
Zudem wird man an Sie gelangen, um Ihre Reaktion auf überregionale Ereignisse zu erfragen - entweder, um Sie als Fachperson zu werten (Welche Bedeutung geben Sie der Sichtung von UFOs in Nordfrankreich?), oder um über ähnliche Vorkommnisse im näheren Umkreis Auskunft zu geben (Sind AIDS-verseuchte Blutpräparate auch in unser Spital geliefert worden?).
Unaktuelle Texte werden meistens zur Manipuliermasse: Ihre Publikation kann über Wochen und Monate hinausgeschoben werden.
Als WissenschaftlerIn hat man oft das Bedürfnis, eine unaktuelle Information der Oeffentlichkeit zur Verfügung zu stellen - zum Beispiel einen verbreiteten Irrglauben zurechtzurücken. Das geht leichter, wenn sich die Information mit einem aktuellen Anlass verknüpfen lässt - und sei dies nur eine Tagung oder die Einweihung eines Gebäudes.
Eine andere Möglichkeit, Aktualität zu schaffen, ergibt sich aus dem steten Kontakt zu WissenschaftsredakteurInnen. Weil Sie früher als diese Entwicklungen in Ihrem Fach erkennen, können Sie sie auf Themen aufmerksam machen, die demnächst aktuell werden.
Die Informationen, die Sie verbreiten möchten, werden von den JournalistInnen zu ganz unterschiedlichen Formen verarbeitet. Sie sollten die journalistischen Hauptformen kennen. Sie können dann Ihre Aussagen schon in eine passende Form bringen.
Die Hauptformen des Journalismus dienen dazu, Sachinformation zu vermitteln. Sie unterscheiden sich untereinander in der Art dieser Information (aktuelles Ereignis - allgemeingültiger Sachverhalt) und in den Mitteln, mit denen sie arbeiten (Beschränkung auf notwendige Fakten - Ergänzung durch Nahaufnahmen oder Hintergründe).
"Melden": Von der Nachrichtenmeldung erwartet man sachliche, hinreichende Information. (Früher sprach man vom "Anzeigen" eines Ereignisses.) - Hintergrundinformationen, die der Erklärung dienen, oder auch Kommentarsätze gehören schon nicht mehr zur Nachricht.
"Ereignis": Die Nachrichtenmeldung bezieht sich auf einen aktuellen Vorfall.
Die Vollständigkeit einer Nachricht wird vielerorts anhand der 7 W's überprüft:
Wer? Was? Wann? Wo? Wie? Warum? Woher?
Das bedeutet für Sie als Verursacher einer Nachricht:
1. Ihre Information wird auf eine Hauptaussage ausgerichtet
(
Das Labor X hat ein Medikament gegen die Krankheit Y entwickelt.
)
2. Ihre Information wird in eine feste Form gegossen:
1. HauptaussageSie können Ihre Pressetexte (vgl. Kap. 3 ) direkt in Nachrichtenform abfassen, also indem Sie über das Ereignis in dritter Person schreiben. Achten Sie dabei darauf, dass Sie sich an Nachrichtenstandards orientieren. Ordnen Sie die Textteile nach abnehmender Wichtigkeit an. Verzichten Sie auf lobende oder kritisierende Stellungnahmen.
2. Unterstützende Information
3. Ergänzende Information
4. Hintergrund
"Sachverhalt": Ein Bericht kann sich auch auf eine nichtaktuelle Hauptaussage reduzieren lassen ("Sonnenbaden ist schön, aber gefährlich").
"Vertiefen": In den Bericht werden ergänzende Informationen eingebaut (Erklärungen, Zitate, Schilderungen).
Der Bericht enthält im Gegensatz zur Reportage mehr indirekt Recherchiertes, weniger selbst Erfahrenes. Schilderungen, Beispiele dienen dazu, eine Aussage mit anderen Mitteln zu wiederholen, zu vertiefen. Der Aufbau nimmt Rücksicht auf das Informationsbedürfnis (Schwerpunkte, Reihenfolge).
Das bedeutet für Sie als Gegenstand eines Berichts:
Es steht mehr Platz für Ihre Informationen zur Verfügung.
Der Endtext bekommt eine freiere Form.
Der Text ist stärker durch die individuelle Gestaltung bestimmt, die die Autorin wählt.
"Ergänzen": Weil im Interview die Aeusserungen eines Akteurs im Zentrum stehen, bringt es nur Aussagen, die eine Journalistin / ein Journalist nicht selbst darstellen kann, die also nicht recherchierbare Fakten darstellen.
"Subjektive Stellungnahmen": Im Zentrum eines Interviews stehen deshalb Meinungen, Erfahrungen, Prognosen u.s.w. - nicht aber einfache Tatsachen. (Was bedeutet eigentlich die Abkürzung AIDS?)
Fragen nach recherchierbaren Fakten wird im allgemeinen nur ein Interviewer stellen, der keine Zeit zum Nachschlagen hat oder aus anderen Gründen lieber einen Experten sprechen lässt. Im Wissenschaftsjournalismus stossen aber auch kompetente JournalistInnen oft an die Grenzen ihrer Möglichkeiten.
Das bedeutet für Sie als Gesprächspartner:
Man wird Sie sowohl nach Fakten als auch nach Ihrer Meinung fragen. Oft werden dann aber nur die Meinungsäusserungen als Zitate wiedergegeben; die Fakten werden mit anderen recherchierten Informationen zu Aussagen des Journalisten.
Wenn das Interview in schriftlicher Form publiziert wird, weicht es meist in Länge und Ausdruck stark von der mündlichen ab. Das ist nicht zu vermeiden; inhaltliche Veränderungen müssen aber natürlich nicht akzeptiert werden.
In allen Medien erwartet man von Ihnen oft nur einzelne Statements, die dann in Zitatform (oder als Originalton, "O-Ton") in den Bericht eingebettet werden. Da erwartet man von Ihnen kurze, prägnant formulierte Aeusserungen. Andernfalls sind Kürzungen nicht zu vermeiden.
Die hauptsächliche Form, in der Sie sich an JournalistInnen wenden, ist der Pressetext (oder Pressemitteilung, KommuniquΘ ). Er enthält wenn immer möglich als Kern eine Nachricht. Sie müssen zwar damit rechnen, dass er in der Redaktion umformuliert wird. Sie sprechen aber auch die journalistischen Adressaten leichter an, wenn Sie den Pressetext möglichst professionell abfassen:
Geben Sie dem Pressetext einen attraktiven, kurzen Titel, der die Nachricht wiedergibt. Ergänzen Sie ihn wenn nötig mit einem ausführlicheren Untertitel. Z.B.:
Treibhauseffekt in fünf Jahren verdoppeltGeben Sie die Hauptaussage im ersten Abschnitt ( Lead ) knapp und verständlich wieder.
Erlangener Studie belegt: Durchs Ozonloch verbrennt das Phytoplankton.
Bauen Sie den restlichen Text so auf, dass die wichtigsten Informationen möglichst weit oben stehen. Rechnen Sie damit, dass Ihr Text von hinten her gekürzt wird.
Zum Beispiel können Sie den gleichen Stoff einmal aus dem Blickwinkel des Betroffenen (1), einmal aus dem Blickwinkel des Experten (2), einmal aus dem Blickwinkel einer interessierten Institution (3) schildern:
Sie können oft wählen, ob Sie aus dem Blickpunkt einer Institution oder aus dem Blickpunkt der betroffenen Menschen formulieren wollen. Dabei ist die Formulierung vom Menschen aus immer die attraktivere.
Oft können Sie wenigstens von einem Beispiel ausgehen und damit das Interesse wecken, bevor Sie in die allgemeinere Perspektive wechseln.
Versuchen Sie, Ihren Blick für die Perspektive zu schärfen - auch wenn in Ihrem Berufsalltag die Möglichkeiten stärker begrenzt sind als etwa auf der "Letzten Seite" einer Tageszeitung.
Der folgende Faits-divers-Stoff:
Einen Schatz alter römischer Münzen hat Hahn Bertie in Südengland gefunden. Der Hahn grub die Münzen auf dem Gelände einer normannischen Burg aus. Bei einer Besichtigung der Burg beobachtete die 20jährige Sharon Dryden, wie der Hahn in einem Kaninchenloch wühlte...wurde auf der "Kehrseite" des Tages-Anzeigers so umgeschrieben:
Ein hungriger Hahn namens Bertie, der auf dem Gelände eines Normannenschlosses nach Futter scharrte, hatte wenig Glück. Körner kamen nicht zutage, nur ein Haufen ungeniessbarer Bronze- und Silbermünzen ...
Er/sie wählt auf diese Weise die Perspektive: Wer in Handlungen formuliert, zeigt, wer etwas tut; wer in Abstraktionen formuliert, betont das Institutionelle, Unpersönliche.
Die deutsche Sprache hat eigens ein Instrument entwickelt, mit dem ansprechende, aktive Sätze in unanschauliche, unpersönliche Ausdrücke verwandelt werden: das Komprimieren. Komprimierte Ausdrücke sind typisch für den Stil von Gesetzen, Verwaltungen, Bürokratien.
Komprimierungen kommen in verschiedenen grammatikalischen Formen einher:
Substantivierung:
Erst wenn der Rat die Fragen beantwortet hat ... Erst nach Beantwortung der Fragen [durch den Rat] ...
Partizip:
Infinitiv:Die Seniorinnen haben gestern einen Klub gegründet. Der gestern [von den Seniorinnen] gegründete Klub ...
Die Polizei hat versprochen, sie werde eingreifen. Die Polizei hat versprochen einzugreifen.
Leicht zu erkennen und aufzulösen sind:
Wenn in einem Satz Komprimierungen gehäuft auftreten, ergeben sich oft Folgen von Präpositionen und Folgen von Genetivkonstruktionen. Das erschwert die Lesbarkeit zusätzlich!Partizipkonstruktionen Adjektivattribute Wörter auf -ung und andere Substantivierungen.
1. Beim Formulieren eigener Gedanken wählen Sie eine geeignete
Perspektive.
2. Beim Umschreiben fremder Formulierungen lösen Sie
Komprimierungen
auf.
Wenn Sie so vorgehen, tun Sie fast automatisch etwas Weiteres: Sie
portionieren
Ihre Gedankengänge:
Es hat sich bewährt, eine Formulierungsweise zu trainieren, bei der komplexe Sätze in möglichst viele Einzelsätze überführt werden. Das Resultat solcher Bemühungen ist ein verbaler, erzählerischer Stil, der im journalistischen Alltag sonst eher vernachlässigt wird. Wir bezeichnen diese Art des Formulierens mit dem Etikett
Gedankengänge portionieren.
Vergleichen Sie die beiden folgenden Sätze:
Mit einem in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres umgeschlagenen Gütervolumen von 7.3 Mio. t konnte der Autonome Hafen von Bilbao gegenüber der Vergleichsphase des Vorjahres einen Umschlagszuwachs von 13 % vorweisen.Der Autonome Hafen von Bilbao hat in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres ein Gütervolumen von 7.3 Mio. t umgeschlagen. Das sind 13 % mehr als in der Vergleichsphase des Vorjahres.
Wer einen flüssigen, aktiven Stil anstrebt, hat mit dem Prinzip "Gedankengänge portionieren!" eine gute Leitlinie. Es hilft nicht nur, verbal und aktiv zu formulieren, sondern auch, den Text einfach, linear aufzubauen.
Das Interview ist ein GESPRAECH mit FESTER ROLLENVERTEILUNG:
Eine Person fragt, die andere antwortet.
Diese einfache Regel schützt beide:
Wer interviewt wird, muss nur auf die gestellten Fragen antworten. Wenn eine Pause entsteht, weil die Antwort kürzer als erwartet war, ist das das Problem des Interviewers. Auch um Verständlichkeit muss sich der Interviewte nicht unbedingt kümmern: Ob das Zielpublikum nähere Erläuterungen braucht oder nicht, entscheidet die Interviewerin.
Wer interviewt, braucht nicht selbst zu argumentieren, sondern kann Argumente (z.B. in Form von Zitaten) in die Frage packen. Die Verteilung der Rollen sichert, dass das Interview nach einem vorgenommenen Ablaufplan geführt werden kann.
Wenn Sie im Radio oder im Fernsehen ein Interview geben, soll es für Ihre Zuhörerinnen und Zuhörer interessant sein, an diesem Gespräch teilzunehmen: "Fragen" und "Antworten" folgen zwar einem vorbesprochenen Faden, lassen aber doch ein einigermassen spontanes Gespräch entstehen.
Wenn Sie in ein Radio- oder Fernsehstudio geladen werden, nutzt eine erfahrene Interviewerin das Vorgespräch auch dazu, eine entspannte Atmosphäre zu schaffen.
Sie sind vielleicht nicht die erste Wahl; vielleicht ist Ihnen bewusst, dass es zu dem Thema eine andere, kompetentere Informantin gibt. Vielleicht haben Sie auch einen Vorgesetzten, der sich übergangen fühlt, wenn er nicht selbst befragt wird. Andererseits ist jedes Interview eine Chance für Sie, Ihrer Arbeit etwas mehr Oeffentlichkeit zu geben. Zudem ist der Journalist froh, wenn Sie ihm zusagen, weil das seine Arbeit abkürzt.
Wenn die Zusammenarbeit gut klappt, ist im übrigen ein wertvoller Kontakt entstanden, der in Zukunft beiden Seiten nützen wird.
Wägen Sie diese Argumente gegeneinander ab. Sagen Sie aber in jedem Fall nur zu, wenn Sie sich inhaltlich sicher fühlen.
Wenn Sie genügend Zeit haben, können Sie die entsprechende Sendung vorher ansehen oder anhören, um sich über den Rahmen klar zu werden. Fragen Sie sonst nach:
- Charakter der Sendung (Magazin mit Kurzbeiträgen oder längeres Feature)
- Zielpublikum
- Datum und Uhrzeit der Ausstrahlung
- verantwortliche Redaktion/ Ressort
Längere Gespräche hingegen leben von einem abwechslungsreichen Rhythmus. Da dürfen Sie ruhig auch mal länger erzählen. Halten Sie sich aber für den Normalfall an die Faustregel: Keine Antwort länger als 1 Minute.
Ueberlegen Sie sich aber auch, welche Zusatzinformationen dadurch übers Bild vermittelt werden. Unter Umständen gibt Ihr Schreibtisch mehr von Ihnen preis als Ihr Labor.
Allerdings ist für die Wahl des Aufnahmeortes nicht allein das Wohlbefinden der Interviewten massgebend: Für die Radiojournalistinnen und -journalisten spielt es eine wichtige Rolle, ob der Ort auch akustisch geeignet ist. Er sollte keine störenden Umweltgeräusche haben und nicht zu hohl tönen. Das Fernsehteam hat zusätzlich die Lichtverhältnisse und die optischen Eigenschaften des Hintergrundes zu prüfen.
Haben Sie aber dafür Verständnis, dass letztlich der Journalist oder die Journalistin die Verantwortung für die Inszenierung tragen.
Versuchen Sie in Ihrem eigenen Interesse allzu allgemeinen Ansprüchen auszuweichen. Sollte das Ziel des Interviews tatsächlich darin bestehen "kurz Ihr Fach vorzustellen", dann werden Sie in Ihrer Antwort möglichst rasch konkret: Verwenden Sie Geschichten, Beispiele, Vergleiche.
- - als Betroffene oder Augenzeuge vor allem Erlebnisse schildern, Eindrücke vermitteln, erzählen,
- - als prominente Persönlichkeit über ihre Denkweise und Einstellungen sprechen, ihre Leistungen darstellen,
- - als Expertin einen Sachverhalt erläutern, Ursachen erklären, Konsequenzen aufzeigen, mit Gegenthesen konfrontiert werden,
- - als Interessenvertreter, als Politikerin, Urteile abgeben, argumentieren, zu Ihrem Standpunkt kritisch hinterfragt werden.
Fragen sind das zweitwichtigste Lenkungsmittel im Interview. (Das wichtigste sind Ihre Antworten.) Zwar muss nicht jede Aeusserung des Interviewers die sprachliche Gestalt einer Frage haben. Auch Feststellungen oder Zusammenfassungen können den Interviewpartner zum Reden veranlassen.
Als typisch für die geschlossenen Fragen gelten die Entscheidungsfragen, die mit Ja oder Nein beantwortet werden können (aber nicht müssen). Auch Alternativfragen zielen auf knappe Antworten. Sie lassen Ihnen theoretisch nur die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten. In der Praxis werden Sie allerdings oft sehen, dass Sie die Alternative nicht akzeptieren können, weil beides möglich oder keines zutreffend ist:
Frage:
Sind Sie für das Schutzalter 15 oder 16?
Antwort:
Ich bin für das Schutzalter 14 . . .
Reine Wissensfragen über Zahlen, Daten oder Namen sind ebenfalls geschlossene Fragen.
Offene Fragen geben im Gegensatz zu den geschlossenen einen weiten Antwortrahmen vor. Sie beginnen oft mit Wie? Weshalb? Warum? Wozu?
Schwierige offene Fragen sind Definitionsfragen: Was ist ein X? Was verstehen Sie unter Y? Wie definieren Sie Z?
Oft werden Sie nach Beispielen oder Konkretisierungen gefragt. ( Was heisst das konkret? ) Meistens ist das ein Signal dafür, dass Ihrem Gesprächspartner das Bisherige zu wenig verständlich war.
Sie haben kürzlich in einem Radiointerview gesagt,...
In Fachbüchern ist oft davon die Rede, dass...
Sie haben eine Doppelaufgabe. Sie müssen den Sachverhalt oder das Zitat überprüfen und dann auch noch antworten. Lassen Sie sich Zeit. Sollte die Vorgabe falsch sein, korrigieren Sie sie und warten Sie dann auf die Reaktion des Interviewers.
Aehnlich haben Sie auch bei Doppelfragen das Recht, nur eine Frage zu beantworten. Niemand kann erwarten, dass Sie eine Antwort geben und gleichzeitig in Ihrem Hirn eine weitere Frage speichern.
Sie haben bei einer Suggestivfrage immer eine Doppelaufgabe: 1. die Unterstellung zurückweisen, 2. die Frage neu formulieren und beantworten. - Natürlich können Sie es auch bei Punkt 1 bewenden lassen und warten, wie der Interviewer reagiert.
Es steht also für Sie sehr viel auf dem Spiel.
Also hat die Friedensdiplomatie einmal mehr versagt.
Dieser Fragetyp ist zwiespältig. Einerseits vereinfacht er oft zu sehr, u.U. polemisch. Andererseits kann er dazu genutzt werden, eine längere Passage für das Publikum zusammenzufassen.
Dennoch läss sich die Unterscheidung nur grob aufrecht erhalten. In jedem Gespräch zur Sache geben Sie auch etwas von Ihrer Person preis. Und Interviews zu Ihrer Person wird man nur führen, wenn man über Ihr Sachgebiet auf Sie aufmerksam geworden ist.
Ein kontroverses Interview ist vielleicht schwieriger zu führen, es ist aber für Ihr Publikum interessanter und bleibt eher im Gedächtnis als eine Folge von braven, bestätigenden Fragen. Ziel des kontroversen Interviews ist es, Ihre Meinungsposition auf ihre Stichhaltigkeit hin zu überprüfen. Sie werden mit Gegenargumenten, Einwänden und Zweifeln konfrontiert.
Die Interviewenden spielen im kontroversen Interview die Rolle des Gegenparts unabhängig von ihrer eigenen persönlichen Meinung. Versuchen Sie auch gar nicht den Interviewer zu überzeugen, sondern stellen Sie Ihre Position so dar, dass sie dem Publikum einleuchtet.
Da wir gerade im politischen Interview von vielen schlechten Vorbildern umgeben sind, wollen wir hier vor einigen gängigen Antwortmustern warnen.
Die Frage kann man so nicht stellen.Solche Reaktionen gehören zu einer Verteidigungsstrategie, die auf die Abwertung des Gegners zielt. Sie macht aber nicht nur den Interviewer zur Schnecke, sondern unterbricht auch den Gesprächsfluss und verhindert die intendierte Information.
Die Frage ist falsch gestellt. Sie muss so lauten.
Wenn Ihnen am Gesprächsklima gelegen ist und Sie wirklich die Fragestellung thematisieren müssen, formulieren Sie es kooperativ statt aggressiv. Formulieren Sie eine Ich-Botschaft, sagen Sie, wie die Frage auf Sie wirkt, warum Sie in dieser Form nicht antworten können.
BAMM╔, Arno / KOTZMANN, Ernst / RESCHENBERG, Hasso (Hg.) (1989): Unverständliche Wissenschaft. Probleme und Perspektiven der Wissenschaftspublizistik. München: Profil.
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BREDEMEIER, Karsten (1991:1993): Medien-Power. Erfolgreiche Kontakte mit Presse, Funk und Fernsehen. Düsseldorf/Wien: Econ.
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FISCHER, Heinz-Dietrich (Hg.) (1990): Medizinpublizistik: Prämissen - Praktiken - Probleme. Frankfurt/Main etc.: Lang.
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RUSS-MOHL, Stephan (Hg.) (1991): Wirtschaftsjournalismus. Ein Handbuch für Ausbildung und Praxis. München: List.
Nachschlagewerke:
KROLL, Jens M.: Presse-Taschenbuch für Naturwissenschaft + Medizin. Garmisch-Part. / Seefeld/Obb.: Kroll-Verlag. Erscheint jährlich
ZIMPEL, Dieter: Die deutschen Vollredaktionen. Band 1: Zeitungen. Band 3: Funk und Fernsehen. Verlag D. Zimpel, München. Erscheint jährlich
Zeitschriften:
PUBLIC UNDERSTANDING OF SCIENCE. London: IOP Publishing Ltd. and The Science Museum. Erscheint seit 1992.
SAGE & SCHREIBE. Die Zeitschrift für Medienberufe. Bad Wörishofen: Holzmann Verlag. Erscheint seit 1993.